Geschäftsnummer: SGNEB.2014.6
Instanz: Steuergericht
Entscheiddatum: 23.02.2015 
FindInfo-Nummer: O_SG.2016.17
Titel: Nachsteuer Nachlasstaxe und Erbschaftssteuer

Resümee:

Wird ein formungültiges Schenkungsversprechen erst nach dem Tod des Schenkers vollzogen, kann ein Rechtsgeschäft unter Lebenden nicht mehr vorliegen. Der Betrag gehört zum Nachlass und ist vorliegend nachzubesteuern.
 

KSGE 2015 Nr. 13

 

 

StG § 170 Abs. 1, § 217 Abs. 1, § 223. Nachsteuern, Nachlasstaxe, Erbschaftssteuern, Schenkung.

Wird ein formungültiges Schenkungsversprechen erst nach dem Tod des Schenkers vollzogen, kann ein Rechtsgeschäft unter Lebenden nicht mehr vorliegen. Der Betrag gehört zum Nachlass und ist vorliegend nachzubesteuern.  

 

 

Sachverhalt:

 

1. Am 30. August 2012 leitete das Kantonale Steueramt gegen X. ein Nachsteuerverfahren ein betreffend Nachlasstaxe und Erbschaftssteuern. Grund waren bis anhin nicht berücksichtigte Vermögenswerte von CHF 70‘000. Anlässlich einer Einigungsverhandlung vom 18. September 2012 wurde im entsprechenden Protokoll festgehalten, dass Geldbezüge in diesem Umfang nicht bestritten seien. Diese seien nach dem Willen des Erblassers und Onkels von X., Y. sel. an von diesem bestimmte Empfänger für geleistete Dienste zu Lebzeiten erfolgt. Den Auftrag dazu habe X. am Vorabend des Todes vom Erblasser erhalten. Ein rechtsgültiges Testament existiere nicht. Es wurden 4 Quittungen vom 3. und 4. September 2010 eingereicht über total CHF 70‘000 (X.: CHF 10‘000; Z.: CHF 20‘000; A.: CHF 10‘000; B.: CHF 30‘000). Zudem wurde eine Vollmacht des Erblassers an seinen Neffen vom 26. August 2009 abgegeben zur Vertretung in finanziellen Angelegenheiten und freiem Handeln, wobei diese Vollmacht nicht über den Tod hinausging. Am 5. März 2014 wurde das Nachsteuerverfahren abgeschlossen und Nachsteuern von CHF 1‘517.25 erhoben (Rechnung Nr. … vom 18.2.2014). Dagegen erhob X. am 8. März 2014 Einsprache an das Steueramt. Er machte v.a. geltend, es gehe um eine Schenkung seines Onkels zu dessen Lebzeiten. Der Einsprecher habe die Geschenke den Empfängern gegen Quittung übergeben. Es sei keine Erbschaftssteuer fällig, sondern allenfalls eine Schenkungssteuer; diese sei von den Beschenkten zu tragen.

 

Mit Verfügung vom 18. August 2014 wies das Steueramt die Einsprache ab. Dazu wurde u.a. angeführt, der Betrag von CHF 70‘000 gehöre zum Rücklass, weshalb die Einsprache unbegründet sei. Dies gelte auch in Bezug auf das Inventar vom 23. November 2010, wonach der Einsprecher Empfänger des Erbanfalls sei und der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Kanton gehabt habe. Die Nachlasstaxe und die Erbschaftssteuer würden mit der Zustellung der Verfügung fällig.

 

2. Gegen die Verfügung vom 18. August 2014 reichte X. (nachfolgend Rekurrent) am 16. September 2014 (Postaufgabe) Rekurs beim Kantonalen Steuergericht ein. Er verlangte, dass die Schenkungen des Erblassers zu dessen Lebzeiten nicht unter das Erbe fallen sollen, sondern als Schenkung zu Lebzeiten einzustufen seien. Das Geld hätten andere erhalten, weshalb diese es zu versteuern hätten. Der Rekurrent nahm ausführlich Stellung zu den Ereignissen am 2., 3. und 4. September 2010 bezüglich des vom Erblasser am 2. September 2010 im Spital erteilten Auftrags, diverse Schenkungen im Betrag von CHF 70‘000 auszuführen an A. (CHF 10‘000), B. (CHF 30‘000), Z. (CHF 20‘000) und den Rekurrenten selber (CHF 10‘000) für geleistete Dienste zu Lebzeiten. Noch bevor der Rekurrent das Geld von den Banken habe abheben und verteilen können, sei der Erblasser am 3. September 2010 verstorben. Der Rekurrent habe am 4. September 2010 die Geldbeträge den drei genannten Personen gegen Quittung übergeben. Die Schenkung gehöre nicht in den Nachlass; der Erblasser habe sie noch zu Lebzeiten gemacht. Die angefochtene Verfügung enthalte diverse Begründungen, die nicht den Tatsachen entsprechen würden. Zudem seien die beiden Generalvollmachten der C. Bank in D. und der E. Bank, F., zu berücksichtigen, welche datiert seien und über den Tod des Vollmachtgebers Y. sel. hinausgehen würden. Somit gehe es nicht um einen Nachlass, sondern um eine Schenkung zu Lebzeiten für geleistete Dienste ebenfalls zu Lebzeiten. Ansonsten sei eine Doppelbesteuerung der Beschenkten und der Erben gegeben. Allenfalls liege eine Schenkungssteuer vor und keine Erbschaftssteuer. Der Rekurrent reichte diverse Unterlagen ein.

 

Mit Vernehmlassung vom 17. November 2014 beantragte das Steueramt (Vorinstanz) die kostenfällige Abweisung des Rekurses. Dazu wurde v.a. ausgeführt, vorliegend handle es sich nicht um eine Schenkung „von Hand zu Hand“. Auch ein Schenkungsversprechen sei auszuschliessen. Zudem sei auch keine Schenkung von Todes wegen bzw. auf den Todesfall gegeben. Der Erblasser habe somit zu Lebzeiten keine rechtlich gültige Schenkung gemacht. Allenfalls könnte ein Auftrag vorliegen. Der Betrag von CHF 70‘000 sei dem Nachlass zuzurechnen. Auch sei der abgehobene Geldbetrag nicht zu passivieren.

 

Mit Stellungnahme vom 10. Dezember 2014 hielt der Rekurrent fest, dass hier kein Schenkungsversprechen vorliege, sondern ein Vertrag, der mit Handschlag zustande gekommen sei. Es gehe auch nicht um eine Schenkung ohne Gegenleistung, sondern für Leistungen zu Lebzeiten. Der Rekurrent sei nach Treu und Glauben vorgegangen, wie vom Onkel aufgetragen. Diesen habe er täglich besucht, auch am 2. September 2010. Dabei sei es nicht um den Übertritt ins Betagtenheim G. gegangen, sondern nur um eine entsprechende Anmeldung. Die Abwicklung mit der Bank sei am Morgen des 3. September 2010 eingefädelt worden. Auch habe sich sein Onkel ein Testament gewünscht. Der Rekurrent ersuchte darum, nicht von einem Schenkungsversprechen auszugehen.

 

 

Aus den Erwägungen:

 

2.1 Ergibt sich aufgrund von Tatsachen oder Beweismitteln, die der zuständigen Steuerbehörde nicht bekannt oder vom Steuerpflichtigen nicht gemeldet waren, dass eine Veranlagung zu Unrecht unterblieben oder eine rechtskräftige Veranlagung unvollständig ist, oder ist eine unterbliebene oder unvollständige Veranlagung auf ein Verbrechen oder ein Vergehen gegen die Steuerbehörde zurückzuführen, so wird die zu wenig veranlagte Steuer samt Zins als Nachsteuer erhoben (§ 170 Abs. 1 StG). Bei nichtperiodischen Steuern - wie hier der Erbschaftssteuer - gilt eine Veranlagung als unterblieben, wenn der Steuertatbestand am Ende des Kalenderjahres, das auf das steuerbare Ereignis folgt, nicht gemeldet wird (§ 170 Abs. 2 StG).

 

2.2 Der Nachlasstaxe unterliegt der reine Rücklass (§ 217 Abs. 1 StG). Für dessen Bemessung ist der Zeitpunkt massgebend, in dem der Erbgang eröffnet wird (§ 219 StG). Dies gilt auch für die Erbschaftssteuer. Dieser unterliegen alle Vermögensübergänge (Erbanfälle und Zuwendungen) kraft gesetzlichen Erbrechts (§ 223 StG). Steuerpflichtig ist der Empfänger des Erbanfalls oder der Zuwendung. Die Steuerpflicht besteht, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz im Kanton hatte bzw. solothurnische Grundstücke oder Rechte an solchen übergehen (§ 224 Abs. 1 und 3 StG). Für die Bemessung der Erbschaftssteuer werden die Aktiven und Passiven des Rücklasses bewertet. Dies geschieht bei den Aktiven grundsätzlich zum Verkehrswert im Zeitpunkt der Eröffnung des Erbganges (§§ 219, 220 Abs. 1 und 227 StG).

 

3.1 Im vorliegenden Fall erhielt der Rekurrent aufgrund der Unterlagen und Angaben vom Erblasser im Spital den Auftrag, diverse Schenkungen im Betrag von CHF 70‘000 auszuführen für geleistete Dienste zu Lebzeiten. Noch bevor der Rekurrent das Geld von der Bank abheben und verteilen konnte, verstarb der Erblasser. Das erhaltene Geld wurde sodann nicht im Erbschaftsinventar angegeben. Das hätte der Rekurrent nach Meinung der Vorinstanz indes tun müssen; diese verfügte denn die streitige Nachbesteuerung. Der Rekurrent ist dagegen der Ansicht, es sei ein gültiger Schenkungsvertrag zustande gekommen. Die Vorinstanz hat demgegenüber eingewendet, Schenkungsversprechen seien schriftlich zu erteilen.

 

3.2 Der Einwand der Vorinstanz ist berechtigt. Ein Schenkungsversprechen bedarf zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Form (Art. 243 Abs. 1 Obligationenrecht, OR). Ein „mündliches Schenkungsversprechen“ ist insofern formungültig. Weiter liegt hier auch keine Schenkung von Hand zu Hand vor. Eine solche Schenkung ist nach dem Tod des Schenkers undenkbar, da Abschluss und Erfüllung des Vertrags zusammenfallen. Entsprechendes muss auch für den als Schenkung von Hand zu Hand geltenden Vollzug eines formungültigen Schenkungsversprechens gelten; dabei liegt eine die Form ersetzende Bekräftigung der Schenkungsabsicht in der tatsächlichen Zuwendung der Vermögenswerte. Das setzt aber voraus, dass der Schenker den Vollzug eintreten lässt; das kann indes nicht der Fall sein, wenn er im Zeitpunkt des Vollzugs nicht mehr lebt. Zudem ist die Schenkung grundsätzlich ein Rechtsgeschäft unter Lebenden (Art. 239 Abs. 1 OR; vgl. auch Art. 245 Abs. 2 OR). Wird ein formungültiges Schenkungsversprechen erst nach dem Tod des Schenkers vollzogen (vgl. Art. 243 Abs. 3 OR), kann von einem Rechtsgeschäft unter Lebenden nicht mehr gesprochen werden, da erst im Vollzug des Schenkungsversprechens der Wille des Schenkers rechtsgenügend zum Ausdruck kommt (vgl. zum Ganzen Bundesgerichtsentscheid BGE 105 II 104 E. 3c). Eine rechtlich gültige Schenkung liegt nach dem Gesagten nicht vor. Der Nachlass umfasst somit auch den Betrag von CHF 70‘000. Die Nachbesteuerung ist demnach korrekt.

 

3.3 Was der Rekurrent weiter dagegen geltend macht, kann zu keinem anderen Ergebnis führen. Wie gesehen, kann hier keine Schenkung von Hand zu Hand vorliegen. Der Erblasser erteilte dem Rekurrenten den Auftrag, den Geldbetrag von seinen Bankkonti Dritten und dem Rekurrenten selber zu übergeben. Zu diesem Zeitpunkt war das Geld somit noch auf der Bank und nicht beim Erblasser. Dieser gab nur ein mündliches Schenkungsversprechen, welches, wie gesagt, an einem Formmangel leidet. Dieser Mangel macht die Schenkung ungültig. Der Vollzug der Schenkung nach dem Tod des Schenkers heilt diesen Formmangel, wie gesehen, nicht. Dazu müsste der Schenker zu Lebzeiten seinen Schenkungswillen äussern (vgl. auch nedim peter vogt, in Basler Kommentar, Obligationenrecht I, 5. Aufl., Basel 2011, Art. 243 N 6 f.). Ausserdem liegt hier auch keine Schenkung von Todes wegen oder eine Schenkung auf den Todesfall vor, da der Erblasser am 2. September 2010 nicht wusste, dass er am folgenden Tag sterben würde. Es ist auch weder ersichtlich noch wird geltend gemacht, dass das Geld erst beim Ableben des Erblassers den Bedachten zukommen sollte. Dabei würde auch eine Schenkung auf den Todesfall der Erbschaftssteuer unterliegen (vgl. § 223 Abs. 1 StG).

 

Somit liegt entgegen der Auffassung des Rekurrenten eine rechtlich gültige Schenkung des Erblassers zu dessen Lebzeiten nicht vor. Im Zeitpunkt seines Todes waren noch sämtliche Vermögenswerte in seinem Eigentum, er hatte noch nicht rechtlich verbindlich darüber verfügt. Der Erbgang wird mit dem Tod des Erblassers eröffnet (Art. 537 Abs. 1 Zivilgesetzbuch). Dessen gesamtes Vermögen geht auf die Erben über (Universalsukzession). Der Betrag von CHF 70‘000 gehört somit zum Nachlass. Die Erhebung der Nachsteuer ist demnach nicht zu beanstanden. Die diesbezüglichen Voraussetzungen sind im Übrigen unbestritten. Der Rekurs erweist sich damit als unbegründet und ist daher abzuweisen.

 

Steuergericht, Urteil vom 23. Februar 2015 (SGNEB.2014.6)