Geschäftsnummer: VWBES.2020.181
Instanz: Verwaltungsgericht
Entscheiddatum: 26.06.2020 
FindInfo-Nummer: O_VW.2020.149
Titel: Baubewilligung / Umbau Mobilfunkantenne Centralstrasse (Nr. 2020/35) / Fristwiederherstellung

Resümee:

 

Verwaltungsgericht

 

Urteil vom 26. Juni 2020  

Es wirken mit:

Präsidentin Scherrer Reber

Oberrichter Stöckli    

Oberrichter Müller

Gerichtsschreiberin Kaufmann

In Sachen

A.___   

und 45 Mitunterzeichnete

 

Beschwerdeführer

 

 

 

gegen

 

 

 

1.    Bau- und Justizdepartement,    

2.    Bau-, Planungs- u. Umweltkommission der Stadt Grenchen,   

3.    Swisscom (Schweiz) AG,   

 

Beschwerdegegner

 

 

betreffend     Baubewilligung / Umbau Mobilfunkantenne Centralstrasse (Nr. 2020/35)


zieht das Verwaltungsgericht in Erwägung:

 

I.

 

1. Mit Eingabe vom 26. März 2020 reichte A.___ für sich und 45 Mitunterzeichnende gegen den Entscheid der Bau-, Planungs- und Umweltkommission Grenchen vom 2. März 2020 über das Baugesuch der Swisscom (Schweiz) AG betreffend den Umbau der Mobilfunkantenne an der Centralstrasse 3, GB Nr. 2412, Beschwerde beim Bau- und Justizdepartement ein.

 

2. Gemäss Verfügung des Bau- und Justizdepartements vom 1. April 2020 hätten die Beschwerdeführer bis zum 22. April 2020 einen Kostenvorschuss von CHF 1'200.00 an die Staatskasse des Kantons Solothurn bezahlen müssen, wobei ihnen das Nichteintreten angedroht wurde, falls sie den Kostenvorschuss nicht rechtzeitig bezahlen sollten.

 

3. Die Beschwerdeführer bezahlten den Kostenvorschuss erst am 23. April 2020 und damit verspätet, worauf das Bau- und Justizdepartement mit Verfügung vom 15. Mai 2020 wie angedroht nicht auf die Beschwerde eintrat.

 

4. Am 12. Mai 2020 erhob A.___ gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht und stellte gleichentags ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist für die Bezahlung des Kostenvorschusses beim Bau- und Justizdepartement.

 

5. Das Verwaltungsgericht sistierte sein Verfahren mit Verfügung vom 14. Mai 2020 bis zum Entscheid des BJD über die Wiederherstellung der Frist.

 

6. Mit Verfügung vom 28. Mai 2020 wies das BJD das Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses ab.

 

7. Am 8. Juni 2020 erhob A.___ auch gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht und verlangte die Aufhebung des Entscheids, die Gutheissung des Wiederherstellungsgesuchs, eventualiter die Aufhebung der Baubewilligung und die gemeinsame Behandlung der Beschwerden.

 

8. Das Verwaltungsgericht holte die Vorakten, aber keine Vernehmlassungen ein.

 

 

II.

 

1.1 Mit dem Entscheid der Vorinstanz über das Gesuch um Wiederherstellung der Frist, ist die Sistierung des vorliegenden Verfahrens (gegen den Nichteintretensentscheid) aufgehoben, und es ist sinnvoll, entsprechend dem Antrag der Beschwerdeführerin beide Beschwerden gemeinsam zu behandeln. Beide Beschwerden sind frist- und formgerecht erhoben worden. Sie sind zulässige Rechtsmittel gegen die Entscheide der Vorinstanz und das Verwaltungsgericht ist zu deren Beurteilung zuständig (vgl. § 49 Gerichtsorganisationsgesetz, GO, BGS 125.12). A.___ - und allenfalls die von ihr vertretenen weiteren Einsprecher - sind durch die Entscheide, mit welchen ihr Gesuch um Wiederherstellung der Frist abgewiesen und auf ihre Beschwerde nicht eingetreten wurde, beschwert und damit zur Beschwerde legitimiert. Darauf, dass die 45 Mitunterzeichner in den Beschwerdeverfahren nicht namentlich genannt wurden, also nicht bekannt sind und (bisher) auch keine Vollmachten von diesen eingereicht wurden, ist vorliegend nicht weiter einzugehen, da dies für den Ausgang unerheblich ist. Auf die Beschwerden ist grundsätzlich einzutreten.

 

1.2 Nicht einzutreten ist auf den Antrag um Aufhebung der Baubewilligung, da dies nicht Thema der angefochtenen Verfügungen bildete. Wenn die Frist wiederherzustellen ist, ist der Nichteintretensentscheid aufzuheben und die Angelegenheit zur materiellen Prüfung an die Vorinstanz zurückzugeben.

 

2. Gemäss § 38 Abs. 2 des Verwaltungsrechtspflegegesetzes (VRG, BGS 124.11) kann im Beschwerdeverfahren die Bevorschussung oder Sicherstellung der Verfahrenskosten verlangt werden unter Androhung des Nichteintretens im Unterlassungsfalle. Wird die verlangte Bevorschussung oder Sicherstellung nicht oder nicht fristgerecht geleistet, wird auf die Beschwerde nicht eingetreten.

 

Vorliegend wurde der Kostenvorschuss unbestritten einen Tag zu spät geleistet.

 

3.1 Eine nicht eingehaltene Frist kann laut § 10bis Abs. 1 VRG auf Gesuch hin wiederhergestellt werden, wenn der Gesuchsteller oder sein Vertreter unverschuldet abgehalten worden ist, innert der Frist zu handeln. Das Gesuch um Wiederherstellung ist schriftlich und begründet innert zehn Tagen seit Wegfall des Hindernisses einzureichen. Innert derselben Frist muss zudem die versäumte Rechtshandlung nachgeholt werden (Abs. 2).

 

3.2 Wie die Vorinstanz richtig ausgeführt hat, darf der Hinderungsgrund für die Verspätung nicht selbstverschuldet sein. Unverschuldet ist das Versäumnis, wenn dafür objektive Gründe vorliegen und der Partei bzw. der Vertretung keine Nachlässigkeit vorgeworfen werden kann. Organisatorische Unzulänglichkeiten, Arbeitsüberlastung, Ferienabwesenheit oder Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften genügen nicht; schwere, plötzlich auftretende Krankheit kann dann Anlass für eine Fristwiederherstellung geben, wenn und solange dem Betroffenen nicht zugemutet werden kann, rechtzeitig tätig zu werden oder seine Interessenwahrung an einen Dritten zu übertragen (vgl. Alfred Kölz / Isabelle Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 3. Auflage, Zürich 2013, N 587 sowie Urteil [des Bundesgerichts] 2C_847/2013 vom 18. September 2013 E. 2.2; so auch schon SOG 1984 Nr. 40 zum weniger strengen älteren Recht).

 

Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist die Wiederherstellung einer Frist nur zulässig, wenn weder der Partei noch ihrem Vertreter für die Versäumnis ein Vorwurf gemacht werden kann. Bedient sich die Partei zur Erfüllung der Kostenvorschusspflicht eines Erfüllungsgehilfen, so muss sie sich das Verhalten der Hilfsperson wie ein eigenes anrechnen lassen (Art. 101 des Obligationenrechts [OR, SR 220]). Hilfsperson ist dabei nicht nur, wer der Autorität der Partei oder ihres Vertreters untersteht, sondern jeder Erfüllungsgehilfe, auch wenn zu ihm kein ständiges Rechtsverhältnis besteht (BGE 107 Ia 168, wo ebenfalls eine Versicherung mit der Bezahlung des Gerichtskostenvorschusses beauftragt worden war; sowie BGE 114 Ib 67 E. 2 und 3 S. 69 ff.; Urteil des Bundesgerichts 1F_25/2015 vom 1. März 2016 E. 3).

 

3.3 Die Beschwerdeführerin bringt vorliegend im Wesentlichen vor, aufgrund der Corona-Pandemie sei die Kommunikation mit den Miteinsprechern stark erschwert oder nicht möglich gewesen. Es sei stark erschwert gewesen, innert wenigen Tagen einen gemeinsamen Entschluss zu fassen, ob sie weiterziehen wollten, die finanziellen Mittel zusammenzutragen sowie das Geld fristgerecht einzuzahlen. Ihre Vorerkrankungen (u.a. Immuninsuffizienz) hätten sie dazu gezwungen, nur für die allerwichtigsten Besorgungen das Haus zu verlassen und die Grippe, an welcher sie am 16. April 2020 erkrankt sei, hätte fast alle Bemühungen verunmöglicht. Als die von ihr beauftragte Hilfsperson den Kostenvorschuss am 22. April 2020 bei der Post habe einzahlen wollen, sei der Postschalter bereits aufgrund geänderter Öffnungszeiten während der Corona-Pandemie geschlossen gewesen, was der Hilfsperson nicht bekannt gewesen sei. Die Zahlung sei gleich am Folgetag nachgeholt worden und sie habe am 27. April 2020 ein Gesuch um Wiederherstellung der Frist gestellt. Das Bundesamt für Justiz habe ihr auf Anfrage hin mitgeteilt, dass aufgrund der aktuellen Lage eine Wiederherstellung der Frist beantragt werden könne, dies unter Angabe der Gründe.

 

3.4 Vorliegend wurde die versäumte Handlung bereits am Folgetag nach Fristablauf, also am 23. April 2020, nachgeholt, indem der Kostenvorschuss geleistet wurde. Am 27. April 2020 verlangte A.___ die Wiederherstellung der Frist für das Einreichen einer Beschwerde bis zwei Wochen nach Aufhebung des Versammlungsverbots, mit der Begründung, die Kontaktaufnahme mit den älteren Mitunterzeichnenden sei aufgrund fehlender technischer Mittel erschwert und die Beschwerdeführer benötigten deshalb mehr Zeit zum Studium der Baugesuchsunterlagen und zum Verfassen einer Begründung. Den Kostenvorschuss habe sie aufgrund einer Grippeerkrankung und die von ihr beauftragte Hilfsperson aufgrund der verkürzten Öffnungszeiten der Post nicht rechtzeitig einbezahlen können. Der Kostenvorschuss sei jedoch nach Ablauf der Frist geleistet worden. Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses wurde erst am 12. Mai 2020 gestellt.

 

3.5 Das Gesuch um Wiederherstellung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses vom 12. Mai 2020 wurde nicht rechtzeitig gestellt. Beim Gesuch um Wiederherstellung der Frist vom 27. April 2020 handelte es sich um ein solches um Fristwiederherstellung zur Beschwerdebegründung. War es der Beschwerdeführerin nach ihrer Krankheit am 27. April 2020 wieder möglich, ein solches Gesuch zu schreiben und bei der Post aufzugeben, hätte sie auch um Fristwiederherstellung zur Bezahlung des Kostenvorschusses ersuchen können. Jedenfalls hätte dies spätestens innerhalb von zehn Tagen seit Wegfall des Hindernisses erfolgen müssen. Bereits aus diesem Grund war die Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses an das Bau- und Justizdepartement nicht wiederherzustellen.

 

3.6 Selbst wenn man aber das Gesuch vom 27. April 2020 ebenfalls als solches um Wiederherstellung der Frist zur Bezahlung des Kostenvorschusses entgegennehmen würde, wäre dieses als unbegründet abzuweisen.

 

Zum einen ist nicht davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin den Kostenvorschuss von CHF 1'200.00 bei den 45 Mitunterzeichnenden einzig in bar anlässlich einer gemeinsamen Veranstaltung hätte einsammeln können, sodass das Versammlungsverbot auf die Bezahlung des Kostenvorschusses wenig Einfluss hatte. Sie und auch die 45 Mitunterzeichnenden hatten drei Wochen Zeit, um die Zahlung zu leisten. War die Poststelle wegen geänderten Öffnungszeiten am letzten Tag der Frist abends bereits geschlossen, so hätte höchstwahrscheinlich noch auf eine andere Poststelle oder auf eine elektronische Überweisung ausgewichen werden können. Die Beschwerdeführerin hat sich das Verhalten der Hilfsperson jedenfalls als ihr eigenes anrechnen zu lassen.

 

Selbst wenn aber die geänderten Öffnungszeiten der Post aufgrund der COVID-19-Pandemie einen Entschuldigungsgrund darstellen würden, so hat die Beschwerdeführerin doch keines ihrer Vorbringen durch Unterlagen irgendwie belegt oder Beweismittel bezeichnet, wie das nach § 68 Abs. 1 VRG vorgeschrieben ist. So bleibt unklar, wer die Hilfsperson war, die den Kostenvorschuss nicht rechtzeitig einbezahlt hat und es wurde auch nicht angegeben, um welche Poststelle es sich gehandelt haben soll und wie deren Öffnungszeiten waren. Auch die Krankheit der Beschwerdeführerin wurde nicht belegt. Den Beschwerden beigelegt wurden nur Auszüge aus Unterlagen des BAG zur Coronakrise. Die Beschwerdeführerin vermochte somit nicht darzutun, dass Gründe für eine Fristwiederherstellung zur Bezahlung des Kostenvorschusses vorlagen, weshalb die Beschwerde gegen die Verfügung vom 28. Mai 2020 betreffen Abweisung der Fristwiederherstellung abzuweisen ist.

 

4. Ist die Frist zu Recht nicht wiederhergestellt worden, erweist sich der Nichteintretensentscheid zufolge verspäteter Bezahlung des Kostenvorschusses als rechtmässig, gleiches gilt für die Abweisung des Wiedererwägungsgesuchs. Die Beschwerden erweisen sich somit als unbegründet, sie sind abzuweisen.

 

5. Bei diesem Ausgang hat A.___ (Vollmachten, dass sie auch im Namen von anderen gehandelt hätte, liegen nicht vor) die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht zu bezahlen, die einschliesslich der Entscheidgebühr auf insgesamt CHF 200.00 festzusetzen sind.

 

 

Demnach wird erkannt:

 

1.    Kopien der Beschwerde vom 8. Juni 2020 gehen an die übrigen Verfahrensbeteiligten.

2.    Die Beschwerden vom 12. Mai 2020 und 8. Juni 2020 werden abgewiesen.

3.    A.___ hat die Kosten des Verfahrens vor Verwaltungsgericht von CHF 200.00 zu bezahlen.

 

 

Rechtsmittel: Gegen diesen Entscheid kann innert 30 Tagen seit Eröffnung des begründeten Urteils beim Bundesgericht Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten eingereicht werden (Adresse: 1000 Lausanne 14). Die Frist wird durch rechtzeitige Aufgabe bei der Schweizerischen Post gewahrt. Die Frist ist nicht erstreckbar. Die Beschwerdeschrift hat die Begehren, deren Begründung mit Angabe der Beweismittel und die Unterschrift des Beschwerdeführers oder seines Vertreters zu enthalten. Für die weiteren Voraussetzungen sind die Bestimmungen des Bundesgerichtsgesetzes massgeblich.

 

 

 

Im Namen des Verwaltungsgerichts

Die Präsidentin                                                                 Die Gerichtsschreiberin

Scherrer Reber                                                                 Kaufmann